Ich muss mich bei Marcel herzlich bedanken, hat er doch den von mir gesuchten Link zugeschickt. In diesem Artikel der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung geht es darum, dass Beistand nach traumatischen Erlebnissen auch zuviel des Guten sein kann:
Fast alle Ereignisse, die traumatisierend wirken könnten, werden heutzutage therapeutisch nachbearbeitet. Lange Zeit galt als unstrittig: Von einem solchen Hilfsangebot profitieren alle, sowohl die Leidtragenden einer Katastrophe als auch deren Helfer.
Doch nun ist die psychologische Erste Hilfe, die von dem Psychologen und Feuerwehrmann Jeffrey Mitchell in den siebziger Jahren entwickelt wurde, in die Kritik geraten: Psychische Schäden können durch die Schnell-Intervention offenbar nicht verhindert werden.
Durch das Debriefing steigt sogar das Risiko für dauerhafte Narben auf der Seele(…)
Liest man den Artikel komplett durch, scheint der Autor der Meinung, seelische Soforthilfe in Form der Gruppentherapie wäre durch die Bank schädlich.
An manchen Argumenten ist durchaus was dran; nicht vorzustellen, wenn wir sofort nach dem Flugzeugabsturz zwanghaft das Erlebte nochmal durchgehen hätten müssen. Ich bin froh, dass ich das nicht musste, und es geht mir mir großer Wahrscheinlichkeit blenden.
Sicher, es ist nicht einfach, als Laie eine Position zu beziehen. Ich denke, Gruppen-Sofort-Therapie ist nicht der richtige Weg. Vielmehr sollte man auf den Einzelnen eingehen und auch zusätzlich langzeit-beobachten, ob Symptome entstehen. Aufzwingen ist bestimmt falsch.
Horrend finde ich die Tatsache, dass auch nicht-Augenzeugen mit einer gleich hohen Affinität zum Erlebnis mit einbezogen und gezwungen werden, sich das von den anderen Erlebte zu vorstellen:
„Dieser tragische Unfall wurde von einigen Klassenkameraden beobachtet. Daraufhin erhielt die ganze Schulklasse ein Debriefing“, sagt Kröger. Dabei helfe es keinem Mitschüler, der gar nicht am Ort des Geschehens war, wenn er alle Details des schrecklichen Unfalls höre.
Besonders interessant und zustimmungswert die eigentlich logische Aussage, dass jeder Augenzeuge eine unterschiedliche Sichtweise auf ein Erlebnis hat:
Da ist beispielsweise die Mutter, die bei einem Flugzeugabsturz vergeblich versucht hat, ihr Kind festzuhalten.
Sie hat vor allem mit Schuldgefühlen zu kämpfen, während bei einer überlebenden Stewardess die Angst dominiert, auch in Zukunft wieder fliegen zu müssen. Formal betrachtet teilen alle Opfer einer Katastrophe dieselbe Erfahrung, subjektiv jedoch nicht. Diesem Umstand trägt das Debriefing zu wenig Rechnung.
Lesenswerter Artikel.
Wie siehst Du das?
Sofortiges Gruppendebriefing ist...
Technorati Tags: katastrophe, seelsorge, intervention, debriefing, stress, PTSD, PTBS
[edit basti] link korrigiert