Wissenschaftsromane erfreuen sich großer Beliebtheit. Der Erfolg von Frank Schätzings Science-Fiction Thriller „Der Schwarm“ machte das deutlich. Etwa zeitgleich zu „Der Schwarm“ entstand das Buch „Die Flucht der Ameisen“ von Ulrich C. Schreiber. Schreiber beschreibt in seinem Roman ein Szenario, das so weit nicht hergeholt ist, nämlich ein Vulkanausbruch in der Eifel. Auch aus Sicht des Katastrophenschutzes ist das Buch durchaus interessant.
Durch Zufall stößt der Geologe Gerhard Böhm bei Untersuchungen im Westerwald und der Eifel auf geologische Strukturen, die auf einen bevorstehenden Vulkanausbruch hindeuten. Vulkanismus ist in dieser Region nichts ungewöhnliches, denn der letzte Ausbruch liegt gerade einmal 12.000 Jahre zurück. Er beobachtet außerdem, wie sich Ameisenhügel entlang bestimmter Verwerfungslinien häufen. Er will das Phänomen untersuchen, sein Antrag auf Forschungsförderung wird dann jedoch abgelehnt. Es kommt wie es kommen musste:
„Es war genau um 00:15 Uhr, bei sternenklarem Himmel. Die Abschüsse der Raketen erreichten gerade ihren Höhepunkt, als eine heftige Erdbebenwelle, die den Boden erzittern ließ, durch die Stadt rollte. Sie war deutlich spürbar, selbst für jene, die dem Alkohol übermäßig zugesprochen hatten. Und die Richtung, aus der sie kam, bemerkten die schwankenden Körper ebenfalls: aus Nordwesten.“ [Auszug aus „Die Flucht der Ameisen“]
Was nun folgt ist Chaos: Die Lavamassen laufen in Richtung Rhein und versperren den Flusslauf. Das Wasser kann nicht abfließen und staut sich auf. Große Teile des Rheintals werden hunderte von Metern überflutet: In Koblenz, Neuwied, Frankfurt, Mainz und vielen anderen Ortschaften heißt es Land unter. Für die Hilfsorganisationen beginnt nun der schwierige Teil: Hunderttausende müssen evakuiert werden.
Überflutungen in der Eifel. Bild: Ullrich C. Schreiber
Auch wenn die Feuerwehr in dem Buch nicht erwähnt wird (dagegen aber das THW mehr als einmal), hätte der Autor aus meiner Sicht mehr auf die KatS-Organisation bei einem solchen Schadensbild eingehen sollen. In dem Buch geht die Evakuierung fast reibungslos und es stehen genügend Helfer bereit. Dass das in der Realität leider nicht so ist, brauche ich nicht auszuführen. Ein kleiner Exkurs in die Katastrophensoziologie hätte dem Buch sicherlich auch gut getan.
Schreiber erwähnt zwar ökologische Probleme von überfluteten Industrieanlagen und Kernkraftwerken, aber er führt diese nicht aus! Bestes Beispiel ist das in dem Buch überflutete AKW Mülheim-Kärlich. Aufgrund des Auftriebes hebt die Kuppel ab und schwimmt auf dem entstandene riesigen See, aber viel mehr schreibt der Autor nicht dazu. Noch dazu wird das ganze voyeuristisch, anstatt das Problem zu beschreiben. Böhm und seine Frau fotografieren das ganze, suchen ein Filmteam und finden es toll, so etwas einmal gesehen zu haben! Statt einen Ausflug in Richtung Bild-Zeitung zu machen, hätte der Autor die von ihm angerissene AKW-Problematik weiter ausführen sollen.
Überhaupt, die Erzählung ist insgesamt sehr kurz. Auch die Dialoge – egal ob nun im Krisenstab oder private Gespräche – wirken etwas hölzern. Auch hier wünscht man sich das ein oder andere ausführlicher und packender erzählt. Man muss zwar nicht gleich so ausführlich werden wie Frank Schätzing, aber aus Sicht des Katastrophenschutzes hätte man sicherlich mehr erwartet.
Überflutungen im Rheintal. Eingezeichnet sind die Atomkraftwerke, größere Städte und der Vulkan. Bild. Ulrich C. Schreiber
Als etwas störend empfand ich den Exkurs über den Fund eines alten Goldschatzes – vermeintlich dem Schatz der Nibelungen. Das kann man zwar erwähnen, aber Schreiber beginnt damit eigentlich eine Geschichte in der Geschichte. Plötzlich ist der Vulkan ganz weit weg und es geht nur noch um den Goldschatz.
Aber auch aus der Wissenschaft kommt Kritik. Entomologen unterstellen dem Buch Unwissenschaftlichkeit. Ihr konkreter Vorwurf an Schreiber ist, dass er Vermutungen über das Siedlungsgebiet von Ameisen in seinem Buch zu Fakten erklärt. Allerdings unterschlagen die Kritiker dabei, dass Schreiber selbst dies im Buch als „Vermutung“ bezeichnet. Ein anderer Grund könnte einfacher sein: Neid. Wer in der Wissenschaft ein populäres Werk verfasst (egal ob wissenschaftlich oder Roman) ist einer besonderen Kritik ausgesetzt. Auch könnte es sein, dass die Ameisenforscher durch ihre Kritik einen „verbotenen“ Eingriff in ihre Wissenschaft durch einen Geologen beklagen.
Trotz aller Kritik, der Ansatz des Buches ist gut. Hat man es einmal in der Hand, will man es nicht wieder hergeben. Schade nur, dass der Autor dieses spannende und in der Tat nicht unmögliche Szenario so kurz erzählt. Schreiber erklärt dem Laien wichtige Aspekte der Geologie und des Vulkanismus.
Georg C. Schreiber: Die Flucht der Ameisen
Leinen mit Schutzumschlag, 360 Seiten, EUR 24,90
ISBN 3-926126-54-X, Erschienen im April 2006
(Ich hatte schwierigkeiten das Buch überhaupt zu bekommen. Offenbar ist die Auflage auch nicht so hoch!)
Links zum Buch:
Weitere Literaturtipps im Feuerwehr Weblog:
- Wolfgang Hohlbein: Feuer
- 112 – Reportagen aus dem modernen Feuerwehralltag
- Fit for Fire Fighting
- Zwischen Fotobuch und Fachliteratur
- Für den Notfall vorgesorgt
Katastrophe, Katastrophenschutz, Vulkan, Rezension
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Erinnert mich irgendwie an den Ausbruch des „Mount St. Helens“ im Bundesstaat Washington/USA am 18. Mai 1980. Vor kurzem sah ich im TV eine interessante Dokumentation über diesen Vulkan und den Ausbruch.
Geschrieben von Harald Laier am